Christian Hohn: Authentische grüne Politik ist ihm wichtig – MZ vom 06.09.2017


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Christian Hohn: Authentische grüne Politik ist ihm wichtig

Sein Einsatz soll nur der Partei dienen und nicht dem eigenen Mandat im Bundestag

Von Johannes Becker

MÄRKISCHER KREIS I „lch bitte Sie insbesondere um Ihre Zweitstimme für starke Grüne im Bund”: Es wirkt schon etwas seltsam, wenn ein Direktkandidat nicht um Stimmen für sich, sondern nur für seine Partei wirbt. Doch in dem Fall von Christian Hohn verblüfft das nicht sonderlich, es zeigt mehr seinen Sinn für die Realitäten, mit denen er sich bei der Bundestagswahl auseinandersetzen muss.
Dort, wo Hohn wohnt, ist die politische Welt so schwarz wie nirgendwo sonst nördlich des Mains. lm Kreis Olpe war vor einigen Jahren sogar der IG-Metall-Bevollmächtigte in der CDU. Noch nie ging das Direktmandat des Wahlkreises, in dem der Kreis Olpe liegt, an einen anderen Kandidaten als den der Christdemokraten. Na ja, auch außerhalb des Sauerlandes hat auch noch nie ein Grüner ein Direktmandat geholt. Außer Christian Ströbele. Mit diesem teilt Hohn mehr als nur den Vornamen.

Der Olper steht für eine gradlinige grüne Politik. so wie sie noch war. bevor Fischer, Trittin & Co. die Realität des Regierens erlebten – und sich von vielen Forderungen der Basis verabschiedeten, Hohn ist einer, der sich nicht verbiegen lassen will – nicht im Großen und nicht im Kleinen. Deshalb sitzt das Parteimitglied auch als Fraktionsloser im Olper Rat. Denn dort hat die CDU zwar die größte Fraktion, nicht aber die absolute Mehrheit. Damm paktiert man dort mit den Grünen – allerdings ohne Koalitionsvertrag. Das wollte Hohn so nicht mittragen – und so warfen ihn seine Kollegen aus der Fraktion.

Kurs halten – ohne Kompromisse

Man merkt schnell, Spaß würde es nicht machen, mit diesem Mann in einer Fraktion zu sitzen. Zu ernsthaft, zu nah an der Sache und zu sehr an den Menschen und ihren Problemen interessiert ist er, um Kompromisse zu machen, wo er aufgrund seiner Haltung keine Basis dafürsieht. Vielleicht wurde deshalb auch das Segeln zu seinem Hobby. Denn da geht es ums Kurshalten – mit dem Wissen, sich den Wind zunutze machen zu müssen.

Zur Politik hat der heute 72-jährige erst spät gefunden – und über einen schmerzhaften Weg. Aus persönlicher Betroffenheit setzte er sich seit Mitte der 1990er-jahre mit der Wirkung von Umweltgiften auseinander, „das sind auch noch heute meine Themen – vom Dentalmaterial bis zu Spritzmitteln in der Landwirtschaft“. Um seine Vorstellungen von Gesundheits- und Verbraucherschutz auch jenseits der Selbsthilfegruppen – in denen er tätig ist – unterzubringen, wurde er 1998 Mitglied der Grünen.

Wenn man seine Wahlunterlagen liest und mit ihm spricht, wird aber schnell deutlich. dass er auch für viele andere Themen steht. Er möchte „die Natur erhalten, die uns erhält”. Aber auch Schlagworte wie Mobilität, Gerechtigkeit und Integration fallen, sind ernst gemeint und mit dem Besten untermauert, was Politik bieten kann – mit Authentizität.

Besorgter Blick nach rechts

Auf Podiumsdiskussionen und bei persönlichen Gesprächen wird deutlich, dass dieser Mensch lebt, was er predigt – vor allem bei „seinen“ Kernthemen. Doch auch außerhalb der klassischen Politik bezieht er Stellung. „Mich erschreckt eine Gesellschaft, die rechten Parteien wieder zu Erfolgen verhilft. Ich hätte nie gedacht, dass wir uns noch einmal mit Nationalisten auseinandersetzen müssen. ich sehe da große Gefahren, denn letztlich führt Nationalismus zu Krieg.” Und: „Ich weiß nur zu gut, was geschlossene Grenzen und abgeschottete Staaten für die Menschen bedeuten.” Wenn er das sagt, blickt er auch auf Patrouillenfahrten als Grenzschützer an der innerdeutschen Grenze zurück. Hohn hatte sich nach seiner Ausbildung zum Maschinenschlosser dazu entschieden. seinen Wehrdienst beim Bundesgrenzschutz abzuleisten.

Doch auch das Schicksal seiner Geburtsstadt Berlin spielt da mit hinein. Diese hat er früh verlassen. Seit 1972 lebt er in Olpe, wo er als Maschinenbau-Techniker und Technischer Betriebswirt gearbeitet hat. Da wäre doch ein Bundestagsmandat – erworben über einen Listenplatz – ein schöner Abschluss des Berufslebens? Nein, das will Hohn nicht – aus gesundheitlichen Gründen. Die gleichen, die ihn nicht mehr Segeln lassen. Heute gibt er als Hobby das Fotografieren an. Dort kann und will er stiller Beobachter sein. Aber eben nur dort. In der (Lokal)-Politik will er mitreden, „so lange es noch geht, ich bin ja schließlich schon 72.“

 

Quelle: Meinerzhagener Zeitung



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